Schluß.Aus.Ende.

Juli 2022 

Im Rückblick von 2021 hatte ich bereits die leise Befürchtung angedeutet, das mich mein Jazzpianodozent schon aufgegeben hat. Im Laufe des Frühjahr habe ich es ebenfalls geschafft jegliche Hoffnung in mich fahren zu lassen.

Ich habe Bilanz über die vergangenen vier Jahre gezogen und, längst überfällig, festgestellt das ich mit den Anforderungen an einer Jazzschule heillos überfordert bin. Jeder der hier auf dem Klavierblog – Beginner mitliest hat dies verfolgen können. Manch einer mag sich wohl auch schon seit längerer Zeit gedacht haben, „Wann kapiert sie das endlich selbst?“
Es war, rückblickend, unzweifelhaft ein Fehler dort ohne musikalische Vorkenntnisse mit Instrumentalunterricht anzufangen. Das Rettungsnetz, mein klassischer Klavierunterricht, das ich ausgeworfen habe um mich vor dem Fall zu retten, hat mich nicht auffangen können. Ich bin verloren und ohne Halt gewesen. Suchend und hilflos geblieben.

Ich schreibe diese Sätze und bin dabei sehr deprimiert. Wohl habe ich einen Misserfolg vor vier Jahren in Betracht gezogen und das in einem Blog Beitrag auch so formuliert. Aber dies nun vor mir selbst eingestehen und jetzt wegen meiner Erfahrungen aus der Zeit mit dem Jazzpianounterricht aufzuhören, fällt mir nicht leicht. Aber ich kann keine bessere Lösung erkennen.

Istockjazz n

Ist Aufgeben ein klägliches Scheitern? Bedeutet Scheitern zwangsläufig ein Aufgeben? Beides hört sich nicht schön an. Ich scheitere! Ich gebe auf! Warum? Weil ich zur Zeit keine Kraft mehr habe das alles auszuhalten. Ich fühle mich zu erschöpft um es weiter zu versuchen. Wie oft bin ich niedergeschlagen aus dem Unterricht gekommen? Mit dem Eindruck, ich kann gar nichts, bin rhythmisch eine Vollkatastrophe und meine Hände sind so ungelenk, daß das mit mir und dem Klavier |nie|nie|nie| was werden kann. Wurde immer mutloser und habe mich als nicht ausreichend gefühlt.

Ich wurde auf meiner Reise an der Neuen Jazzschool begleitet von zwei talentierten Nachwuchsdozenten: dem ersten mit seinem analytischen und stillen Input. Vom neuen mit frech-fröhlichen Temperament. Sie sind mit mir an ihre Grenzen geraten und waren bestimmt öfters von meinen anhaltenden Schwierigkeiten genervt gewesen. Sie sind noch jung, trotzdem werden sie nach spätestens 5 Sekunden erkannt haben, das es mir an Talent mangelt.
Vielleicht haben sie ab und zu insgeheim über mich und mein Vorhaben gelacht. Ich muß aber fairerweise zugeben, das sie das nie in meiner Anwesenheit gemacht haben. Wahrscheinlich hatten sie auch manchmal Mitleid mit mir, wenn ich die Hände wieder resigniert in den Schoß gelegt habe, weil sie und ich nicht mehr weiter wussten.

Eine Fehleinschätzung von beiden war bestimmt, das sie in mir mehr gesehen haben als vorhanden war. Anders kann ich mir das nicht erklären, denn sie haben mich nie von da abgeholt wo ich wirklich festen Stand hatte, wie das immer so schön heißt. Der Start ging nicht von A aus los, sondern eher von C oder D.
Ich erinnere an meine allererste Stunde: vier Dreierakkorde in unterschiedlichen Stellungen, dazu eine kleine, wenn auch sehr hübsche Melodie. (Ja. Grade ausgetestet. Ich kann das kleine Stück immer noch spielen.)
Als Totalanfänger noch keine sichere Vorstellung vom Tonraum gehabt und mußte quälend mühselig die einzelnen Noten rauf zählen. Drei Finger meiner linken Hand überreden die richtigen Tasten zum selben Zeitpunkt niederzudrücken und währenddessen auch noch die Melodie rechts zu spielen. Das allein war schon herausfordernd genug und etwas ungewöhnlich für eine Anfängerstunde. Wahrscheinlich wollte der Dozent damals schon meine Leidensfähigkeit austesten.

Der zweite ist natürlich davon ausgegangen, das man mit einer Schülerin nach zwei Jahren Unterricht schon etwas mehr anfangen kann. Deswegen die Wahl des Chet Baker „Jealous-Blues“. Als er dann die bittere Wahrheit erkennen mußte, dachte er vermutlich mit seinem optimistischen Naturell: „Herrlich, das ist eine willkommene Herausforderung. Ich liebe so was. Das kriege ich mit der trotzdem schon noch irgendwie hin. Wäre doch gelacht!“ Und hat damit gerechnet das es mit mir und dem Klavierspiel, unter seinem Einfluss, langsam ins Rollen kommt.

Er besitzt ein ausgesprochen gut entwickeltes und stabiles Selbstbewusstsein und das, pianistisch gesehen, auch völlig zurecht. Im Unterrichtszimmer nimmt seine stürmische Persönlichkeit viel Raum ein. Neben solch einer dominanten Präsenz ist nicht viel Platz für mich übrig. Sie schüchtert mich ein. Die wenigen Male die ich aufbegehrt oder einen von meinen drei (!) Wünschen geäußert hatte, (Den ersten habe ich bereits in unserer Kennenlernstunde verschwendet!) habe ich mich nicht durchsetzen können.

Vielleicht war er aus dem Grund so ehern, weil er aus Zeitnot irgendwie mit seinen vielen Schülern zurecht kommen mußte. Er meinte zwar, das unter der Vielzahl niemand zu leiden hatte. Aber diesen Satz würde ich so nicht unterschreiben wollen.
Die Schulausbildung mit jeder Menge Prüfungen kam hinzu.
Und die Corona-Pandemie mit ihren vielen Einschränkungen, die gerade für Kinder und junge Menschen eine enorme psychische Belastung war.
Der Klimawandel.
Ein Angriffskrieg in der Ukraine. Der nächste Irrsinn.
Wenn der zweite Jazzpiano-Dozent später an diesen Zeitabschnitt, an diese Polykrisenzeit, an die drei langen Jahre zurückdenkt, was für eine beschissene Zeit!, wird er davon ziemlich überfordert gewesen sein.

Ich hätte schon sehr gerne mehr von dem umgesetzt was er mir beibringen wollte. Als Schüler möchte man ja auch gefallen, im Sinne von, „Hör mal, ist das nun richtig was ich geübt habe?“ Und wenn es trotzdem nicht hinhaut und Anerkennung deshalb ausbleiben muß, entsteht Enttäuschung und Frustration auf beiden Seiten.
Er wirkte wohl deshalb eher ungerührt, als ich ihm im Mai mitgeteilt habe, das ich für den Rest des Schuljahres nicht mehr in unseren Unterricht kommen werde. Er meinte zum Abschied, ich hätte in den zwei Jahren schon einiges dazu gelernt. Aber ich bin mir nicht ganz sicher, wen von uns beiden er mit diesem Satz trösten wollte?
Dennoch bin ich davon überzeugt das er in der Zukunft mit seiner Energie bei sehr vielen Schülern gute Impulse setzen können wird. Und weil sein Herz dem Jazz gehört, auch dem bestimmt nicht verloren gehen.

In Summe hat mich der Unterricht an der Jazzschool eine Menge Zeit gekostet. Das Üben dafür, das Hin und Heimfahren zum/vom Unterricht. Viele Gedanken wurden gedacht und Gefühle mehr oder weniger gut ausgehalten, die mich dabei begleitet haben. Von dem enormen finanziellen Aufwand will ich gar nicht schreiben. Aber wenn ich kühl (soweit ich in dieser Situation kühl sein kann) nun eine Kosten-Nutzen-Bilanz aufstelle, habe ich erschreckend wenig Fortschritt in dem ganzen Zeitraum erzielen können.

Und kann aus Selbstachtung nichts anderes tun als den Unterricht zu beenden. Leider vermag ich auch die Erkenntnisse aus den vier Jahren nicht positiv umdeuten. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Es gibt keine überraschende Wendung mit einem coolen Ende, so wunderbar das auch wäre. Und ich mir so sehr für mich gewünscht hätte. Um dann im Klavierblog für Beginner frohen Mutes dokumentieren zu können, „So. Läuft. Endlich!“

Ich benutze das Ende des Schuljahres als Zäsur und höre auf.

Und bin ziemlich niedergeschlagen. Zur Zeit komme ich mir ein wenig paralysiert vor und muß seelisch sehr mit mir kämpfen um im klassischen Bereich weiter zu machen.
Ich höre also nicht komplett mit Unterricht auf. Ein ganz kleines bisschen habe ich das Gefühl in der Klassik wäre ich in der Lage noch etwas dazu zulernen. Ich kann ein wenig gestalten, manchmal hört es sich schon musikalischer an. Kleine winzige Schritte nur. Aber sie sind für mich erkennbar. Das macht mich froh.
Beides habe ich im Jazzunterricht leider immer vermisst.