Neue Jazzschool München e.V.

Es war wieder ein Montag. Zufall! Ich hatte nach dem Wochenenddienst frei. Also bin ich zu der Neuen Jazzschool München e.V. marschiert und wollte im Sekretariat fragen ob ich einen "Wahnsinnige-sucht-mutigen-Klavierlehrer" Zettel aushängen dürfe.

Ich habe die Wahrheit gesagt: gestanden das ich 54 Jahre alt bin und noch nie ein Instrument gespielt habe. Die Sekretärin hat erst mal fassungslos geschwiegen. Ich fragte zaghaft ob das ein Problem oder Ausschlußkriterium wäre. Nachdem sie sich von ihrem Schock erholt hatte, lachte sie und sagte ermutigend: "Nein, nein, nein! Finde ich großartig, daß Sie das noch mal angehen wollen." Sie hat mir erklärt das es tatsächlich eine Möglichkeit gibt an der Schule Unterricht zu nehmen. Zur Auswahl als Lehrer gäbe es die Berufsdozenten und die sogenannten Newcomer-Dozenten, welche sich im dritten Ausbildungsjahr befinden. Man schließt einen Vertrag zu unterschiedlichen Konditionen. Einzel- oder Gruppenunterricht. Wöchentlich oder ein zweiwöchentlicher Turnus. Halbe Stunde oder eine Dreiviertelstunde. 
Ich habe mich für einen zweiwöchentlichen dreiviertelstündlichen Turnus bei einem Newcomer entschieden. Dachte mir, das ein Berufsdozent der dort den ganzen Tag unterrichtet, und zwar junge Menschen unterrichtet die selber schon halbe Profis sind, (es gibt ein Aufnahmeverfahren für die Ausbildung dort!) möglicherweise schneller die Nerven verliert als einer der keine Noten verteilen muß. Vor allem wenn ich mich als besonders ungeschickt erweise. Zweiwöchentlich, damit ich Zeit habe die technischen Schwierigkeiten, auf die ich sehr wahrscheinlich stoßen werde, in Ruhe zu bearbeiten. 
So waren meine Überlegungen. Die Dame aus dem Sektretariat hat mir versprochen sich auf die Suche zu machen.

Nach diesem ersten Schritt weiter in Hochstimmung in die Stadt gefahren. Im Musikgeschäft noch mit einer Kundin gesprochen die zwischen meinem Modell und einer anderen Marke hin und her gegangen ist und mit sehr expressivem Spiel beide Klaviere ausprobiert hat. Anschlag, Klang, Laut, Leise, Hall und was weiß ich noch. So richtig konnte sie sich nicht entscheiden. Das Klavier der anderen Marke war fast 1000 Euro teurer. Ich dachte mir, wenn jemand der so schön spielt, kaum Unterschiede feststellen kann, dann wird es für mich das Yamaha Modell. Hey. Ich bin blutiger Anfänger. Welche Feinheiten kann ich da schon heraushören?

                                                                                                        Das neue Lieblingsmöbelstück in meiner Wohnung. Ich bin sooo stolz darauf!

20180507 185441Der Verkäufer hat sich noch an mich erinnert. Meine Unentschlossenheit zwischen dem CLP 645 und dem CLP 675 hat er dann zugunsten dem CLP 675 durch weitere Erklärungen beendet. Es ging noch um die Farbe. Die mir ziemlich egal war. Ich wußte nur, es soll nicht Schwarz sein. Wegen Staub (Hausfrauenbedenken!) und eigentlich schickt sich das nur für einen Flügel. Wir konnten dann bis auf Weiß und Rosenholz alle anderen ausschließen. Ich habe ihn am Ende entscheiden lassen. Es wurde ein weißes Yamaha Klavier CLP 675.

Den Preis dafür hat er im Internet ermittelt. Die Geschäfte haben zwar Preisschilder an den Instrumenten, aber die sind Makulatur. Sie orientieren sich an dem Auf und Ab und der Nachfrage im Internet. Offensichtlich gibt es Importe von Yamaha aus Ländern, die nicht unseren TÜV Bedingungen entsprechen. Sie sind nicht ganz baugleich, haben eine andere Isolierung, können möglicherweise elektrische Felder ausstrahlen. Stimmt das? Kann und wollte ich nicht nachprüfen. Ich habe es ihm einfach geglaubt.
Der Preis war dann um 50 Euro höher als das günstigste im Internet. Ob ich damit einverstanden wäre? "Habe ich eine Wahl?" habe ich zurückgefragt. Er hat fröhlich gelächelt und mir den Kaufvertrag zum Unterschreiben ausgehändigt!

Am Donnerstag kam eine Nachricht von der Neuen Jazzschool München. Es hat sich ein Lehrer für mich gefunden und Ende Februar würde der Unterricht beginnen. Dann noch eine Mail vom Dozenten selbst. Ich habe ihn erstmal zu seiner Courage beglückwünscht. Und um ein geduldiges Wesen gebeten. Es sollte ihm klar sein, das bei einem Anfänger wie mir mit technischen und vor allem rythmischen Schwierigkeiten zu rechnen ist.
Meine Ausgangslage: Null; kleiner Zugewinn: Chorerfahrung.

Am Montag drauf wurde das Klavier bei mir aufgebaut. Dann habe ich mir noch eine schöne Klavierbank mit Lederpolster und geschwungenen Beinen angeschafft. Ich gebe zu, da hat die Optik den Ausschlag gegeben. Die Wahl des Kopfhörers war ein bisserl schwierigeres, weil ein technisches Thema. Habe mich für ein offenes System entschieden. Das heißt, ich kann Umgebungsgeräusche vernehmen. Bei einem offenen System sind nach außen hin leise Töne aus dem Kopfhörer zu vernehmen, aber nur wenn man direkt daneben sitzt. Einen Meter entfernt ist schon nichts mehr zu hören. Liegt mein Telefon am Nebentisch, nehme ich hingegen das "Pling" wahr wenn eine Nachricht ankommt. Ist mir lieber, denn ich wollte nicht vollkommen vom Draußen abgeschottet sein.

Dies alles hat sich innerhalb einer einzigen Woche gefügt. Große Zufriedenheit hat sich in mir aufgetan, weil mein Herzens-Projekt sich endlich in Bewegung setzt.


Wie sollte ich den ganzen restlichen Monat nun in Wartestellung aushalten? Bin nochmal in die Stadt und habe mir eine Klavierschule zum Selbststudium gekauft. Dachte mir, ich erfreue den Dozenten mit rudimentären Kenntnissen von den Noten. Das Buch ist ganz nett aufgebaut. Habe mir tatsächlich jeden Tag eine von den kleinen Aufgaben vorgenommen. Das hat Spaß gemacht. Am Ende von Kapitel drei bemerkte ich dann aber, das ich eigene Tempovorstellungen entwickelt habe. Und bekam Angst, das ich mir einen Schmarrn einübe, den ich mir möglicherweise trotz Hilfe des Dozenten nur schwer wieder abgewöhnen kann. Also Buch in den Schrank gelegt und auf die erste Stunde hingefiebert.